
KUNSTTHERAPIE
„Und nur weil ich mich nicht an Erfahrung halte, ist alles möglich.“
(Thomas Bernhard)
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“It’s what I’ve never seen before that I recognize.” (Diane Arbus)

Kunst
ist nicht
denn Kunst
Was andern
ist es nicht
oder
Und umgekehrt
Was früher
Kunst war
mag solchen Wert
verlieren
und beides wiederholen
So ist Kunst
sondern
Wir nehmen Kunst
wenn wir
Darum ist Kunst
wo Kunst​
​vorerst
zum Ansehen
sieht uns an
Kunst ist
ebenso für mich
aus demselben Grunde
für mich
oder nicht
wechseln
oder gewinnen
nicht Gegenstand
Erlebnis
wahr
empfänglich sind
dort
uns ergreift
(Josef Albers)
...Kunsttherapie
Kunst hat eine andere Sprache, nämlich ihre eigene, die wir oft nicht gewohnt sind, uns jedoch zu eigen machen können, indem wir selbst künstlerisch tätig werden. Kunst besitzt so viele verschiedene Qualitäten, dass wir diese im Ganzen nie beschreiben, sondern nur für uns selbst erfahren, erleben und empfinden können.
Ebenso besitzt der Mensch wesentlich mehr Sprachen als nur die verbale. Die Körpersprache mit Mimik und Gestik ist dafür ein bekanntes Beispiel, aber auch der kreative Ausdruck in Form von Kunst, Musik oder Innovation. Durch diese sozusagen vorerst nicht offensichtlichen Sprachen, kommunizieren wir in erster Linie nicht nur mit unserer Umwelt, sondern v. a. mit uns selbst. Der kreative Ausdruck im weiteren Sinne macht demnach einen wichtigen Teil unserer Persönlichkeit, Lebensgestaltung und deren (Weiter‑)Entwicklung aus und ist in unserem Leben nicht weg zu denken, auch wenn wir unsere Kreativität im weiteren Sinne oft nicht bedenken.
Die Kunsttherapie rückt das zuletzt Genannte auf besondere Weise ins Zentrum, da sie sich selbst der Kunst als kreatives Medium und Ausdrucksform bedient und somit das Potenzial besitzt, Bewusstes mit Unbewusstem, Altes mit Neuem und Gewohntes mit Anderem zu vernetzen. Schließlich erkennt man durch das Erfahrene und „Parallel zur äußeren Sicht der Welt ergänzen innere Bilder unser Sehen.“ (Karl Schleinkofer). Jene inneren Bilder bereichern unsere alltäglichen Erfahrungen, unsere ständig neuen Eindrücke der Welt und des Lebens, wie auch das Wissen über uns selbst. Sie bilden den wesentlichen Teil der (Aus-)Gestaltung unserer verschiedenen Lebensbereiche, sind jedoch oft un- oder teilbewusst.
Durch die andere Form des Erlebens, Tuns und Seins im künstlerischen Prozess der Kunst und Kunsttherapie, erwächst die Möglichkeit, zu den eigenen, inneren Bildern Zugang zu finden. Schließlich streben diese stetig nach Entfaltung und Gestaltung, was v. a. im Tun des künstlerischen Prozesses direkt, aktiv, ästhetisch und daher allumfassender erlebbar wird. Worum es dabei geht und was die Essenz dabei ist, kann nicht treffender als mit den Worten von Holm-Hadulla beschrieben werden.

„Wir müssen unser Leben führen, es gestalten. In dieser Hinsicht ist Kreativität Bestandteil der Lebenskunst, der ars vivendi. Diese Lebenskunst beruht auf einer aktiven Gestaltung der inneren und äußeren Welt. Sie geschieht in einem kontinuierlichen inneren Monolog mit den eigenen Emotionen und Phantasien und den Antworten der Anderen auf diese Gefühle, Gedanken und Handlungen […] Wenn wir unsere Erlebnisse und Phantasien nicht kreativ gestalten, verlieren wir auch wichtige Orientierungsmöglichkeiten in unserer Umwelt. Denn erst im Gestalten von Ereignissen kommen wir zu einer kohärenten Erfahrung unserer Wirklichkeit.“
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In meiner kunsttherapeutischen Arbeit sehe ich jene Förderung der kreativen Persönlichkeit und Kohärenz als Ziel und Auftrag zugleich, deren Wege sich je nach Klient:in immer unterschiedlich gestalten. Die Person an sich, mit ihren besonderen Eigenschaften und v. a. ihrem eigenen Hier und Jetzt, d. h. ihrer eigenen Realität wie auch ihren Unklarheiten, steht im Mittelpunkt. Dabei geht es weniger um Können, sondern viel mehr um Wagen, Experimentieren, Neu-, Anders- bzw. Weiter-Begreifen und die wirkliche Motivation in einem (noch) unbekannten Medium, welches sowohl die Kunst, als auch das eigene Selbst darstellen kann.
Kunsttherapie beinhaltet demzufolge die Kunst als anderes, der Sprache zusätzliches und ihr eigenes Medium. Sie verbindet die künstlerische Erfahrung auf direkte Weise mit dem alltäglichen Sein des Menschen und dessen Geschehen, wobei jene Verknüpfung der inneren Bewegtheit und des äußeren Handelns entsteht, in der innere Bilder gezielt ausfindig gemacht werden. Denn das, „Was wir innerlich festhalten, entzieht sich fast immer unserem Wissen und bleibt, um leben zu können im Verborgenen“ (Karl Schleinkofer) und der kunsttherapeutische Prozess ist demnach das Gestalten selbst.

„Also doch, denkt er nach langer Zeit, nun tagt es also doch. Und während er es denkt, begreift er, dass er selbst ist, der die Welt um sich erschaffen muss, damit sie da ist. […] Von ihm also hängt es ab, was da sein wird, was geschehen wird, und doch ist es nicht so, dass er schon begreift, was er wahrnimmt.“ (Michael Ende)
„Aber wenn etwas zustande gekommen ist, dann haben wir wieder einen Halt in dem fremden Geschehen, das uns umgibt. […] Aber dieses Gefühl […] kommt erst nach der kreativen Anstrengung, der wir uns immer wieder ausliefern müssen“
(Hans-Georg Gadamer)
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“Result: not just a cure of symptoms, but a more widely based personality richer in feeling and more tolerant of others because more sure of himself.”
(Donald. Woods Winnicott)
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„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“ (Paul Klee)
“[…] and face the inner silence, the basic formlessness from which all form comes from […]”
(Marion Milner)
