
KUNSTTHERAPIE - WIE SIE WIRKT UND WAS SIE KANN
Kunsttherapie vereint Methoden und Ansätze der Psychotherapie mit den introspektiven Verfahren der Kunst und des künstlerischen Mediums. Neben nach innen gerichteten Vorgängen durch das Gestalten, treten jedoch auch spielerische Elemente zutage. Im Material kann experimentiert und erprobt werden, wobei die Wahrnehmung auch nach außen statt innen gerichtet wird. Das Medium dient hierzu als Spiegel um Aufschlüsse über derzeitige Entwicklungsstände und nächste Entwicklungsschritte zu geben, die sowohl emotional, sozial-emotional sowie inner-seelisch sein können (je nach Alter und Kontext verschieden). Durch das dritte Element des Bildes bzw. des bildnerischen Prozesses, der den Entstehungsprozess des Werkes als Wesentliches mit berücksichtigt, entsteht ein Lernen durch Handeln, ein Ausagieren und ein ganzheitliches Verankern über das „Lernen durch Erfahrung“. Letzteres ist aus entwicklungspsychologischer Sicht (vgl. Piaget, Erikson) wesentlich.
Sprechen wir von Krise, Verhaltensauffälligkeiten oder sogar Krankheit, wird dies in der Kunsttherapie zwar als Herausforderung im bestehenden System, jedoch immer auch als Chance verstanden. Der ressourcen- und lösungsorientierte Ansatz der Kunsttherapie knüpft daran an. Das Kind bzw. der Mensch ist mit seinem Verhalten und Gefühlen nicht falsch, wie er selbst oft denkt oder ihm von außen suggeriert wird, sondern braucht neue Wege, neue Mechanismen damit adäquat umzugehen, sich selbst besser kennen zu lernen und diesbezüglich entwicklungsfördernde Resonanz zu erhalten. Dies geht nur durch gelungene Beziehungsarbeit in der Therapie. Die Kunst bildet dabei die Bühne zwischen Behandler:in und zu Behandelnden/Behandelten. Dieses Medium lässt einen größeren Spielraum entstehen. So können Themen z. B. am Material ausagiert werden, wodurch bspw. Spannung direkter abgebaut werden kann und der Ausdruck von Gefühlen kann zugleich Raum bekommen, da das Material sowohl Freiraum als auch Grenzen bietet. Im direkten zwischenmenschlichen Kontakt wäre benanntes Ausagieren eher fatal. Im Material kann damit durch in sich vorgegebene Grenzen und begleitende Interventionen durch den Therapeuten/die Therapeutin bspw. Gefühls- und Affektregulation erprobt und adäquat bewirkt werden, da das Material an sich nicht (be‑)wertet. Das Bewerten oder Deuten des Entstandenen ist in der Kunsttherapie sowieso fehl am Platz. Vielmehr geht es um die Bedeutung des Entstandenen mit dessen Prozessen, was wiederum im direkten Dialog mit dem Material wie auch mit dem Therapeuten/der Therapeutin geschieht. Ziel in der Kunsttherapie ist immer die derzeit nötigen Entwicklungsschritte gezielt und begleitend zu unterstützen und den spielerischen Freiraum dabei dennoch gezielt wieder zu öffnen oder offen zu halten, sodass das bestehende System wieder an Flexibilität und entwicklungsfördernder Richtung gewinnt. Der/Die Kunsttherapeut:in interveniert hierzu gezielt und lenkt die Interaktion durch einen gelernten Methodenschatz in eine neue, korrigierende Erfahrung, wodurch eine gesunde Selbstregulation im Allgemeinen, wie auch eine adäquate Affekt- und Gefühlsregulation im Spezifischen Raum bekommt. Ich-Werdung, Individuation und wichtige Identitätsprozesse spielen im Kern nahezu immer eine Rolle. Dies beschreibt im größeren Kontext auch das sogenannte „Probehandeln“ im Bild nach Benedetti, welches zuerst in der Bildebene geschieht, um dann anhand davon in den Alltag mit seinen Handlungen übertragen zu werden.
Neue Muster und Wege verankern sich nur durch die ganzheitliche Erfahrung von Reflexion, Handlung, Spüren, Interaktion, Sein-Dürfen und nicht nur durch ein reines kognitives Reflektieren und Besprechen.
Materialtechnisch kann in der Kunsttherapie mit allem Möglichen gearbeitet werden. Neben gängigen, vielseitigen Kunstmaterialien ebenso bspw. mit Holz, Naturmaterialien, Resten aller Art. Demzufolge beinhaltet Kunsttherapie alles, was unter den Begriff „kreativ“ fällt. Kreativität an sich wird als weiterer Faktor verstanden, den wir zur aktiven Gestaltung unserer inneren wie äußeren Welt im Laufe der Zeit unseres Lebens brauchen. Die fundierte Ausbildung eines Kunsttherapeuten/einer Kunsttherapeutin stellt die nötigen Weichen, Entwicklungsprozesse wieder in die richtige, also entwicklungsfördernde, Richtung durch Interventionen auf Material- aber auch Beziehungsebene zu begleiten.
Für weitere Ausführungen sei die Definition Kunsttherapie des Deutschen Fachverbandes für Kunst- und Gestaltungstherapie (DFKGT e. V.) genannt:
Kunsttherapie wendet Bildende Kunst therapeutisch an.
Mit zeichnerischen, malerischen, plastischen und anderen Medien werden im Rahmen der therapeutischen Beziehung psychische Entwicklungsprozesse ermöglicht. Es entstehen sinnlich erfahrbare Werke, die Erfahrungen, Gefühle, Gedanken und Fantasien abbilden. Diese Abbildungen helfen, bewusste und unbewusste Konflikte und Probleme wahrzunehmen, zu definieren und zu kommunizieren.
Der künstlerische Prozess aktiviert besonders das visuelle und haptische Wahrnehmungsvermögen, die Entwicklung innerer Bilder, die motorischen Fähigkeiten und die sozial-kommunikative Kompetenz.
Die Kunsttherapie fördert Empathie, Selbstbeobachtung sowie die Beziehungsfähigkeit. Sie unterstützt die Krankheitsbewältigung und stärkt die Fähigkeit zur Kommunikation mit sich und anderen. Dabei kann sich die Kompetenz entwickeln, besser mit spontanen Impulsen, Wünschen und kurzfristiger Bedürfnisbefriedigung (Affekten) umzugehen. Entsprechende Reaktionen können so bewusst beeinflusst und angepasst werden (Selbstregulation).
Der schöpferische Prozess, die Wahl und Handhabung der Materialien, die Werke und die Dynamik der therapeutischen Beziehung geben Hinweise zur diagnostischen Einschätzung, zur Formulierung therapeutischer Ziele und zur Gestaltung der nicht-medikamentösen Therapie. Der Entstehungsprozess und die materielle Präsenz der Werke bilden besonders wirksame Faktoren in der Behandlung, aufgrund derer Patient:innen ein Gefühl der Autonomie, der Selbstwirksamkeit und der eigenen Identität entwickeln.
Kunsttherapie ist neben Musik-, Tanz-, Theatertherapie u.a. eine Fachrichtung der Künstlerischen Therapien.
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Weitere Ausführungen zum Werdegang und derzeitigen Stand künstlerischer Therapien ​​oder zum Berufsbild Künstlerischer Therapien, finden Sie hier.
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